Wiedergutmachung an der nächsten Generation nötig

Interview mit Ludwig Hartmann, Fraktionsvorsitzender von Bündnis 90/Die Grünen im Bayerischen Landtag.

Grüne Post: Lieber Ludwig, zuerst einmal ganz herzlichen Glückwunsch zu Eurem Riesenerfolg! Es hatte sich zwar schon abgezeichnet, dass die Bayeri­sche Staatsregierung sich beim Arten­schutz bewegen will, dass sie nun aber den Gesetzentwurf des Volksbegehrens übernehmen will war, zumindest von außen, nicht zu erkennen. Da hieß es eine Zeitlang eher, dass sich die Teil­nehmerInnen des Rundes Tischs nicht näher kommen. Wie kam nun dieser Sinneswandel zu Stande?

Ludwig Hartmann: „Erst einmal gab es natürlich enormen Druck von außen. Schließlich haben 1,75 Millionen Baye­rinnen und Bayern für die Rettung unse­rer Tier- und Pflanzenvielfalt unter­schrie­ben. Die saßen über uns Bündnis­partner quasi mit am Runden Tisch und wir haben das auch deutlich gemacht. Und dann hat sich der Bauernverband bewegt, wohl auch, nachdem ihm die Söder-Regierung finanzielle Kompen­sation versprochen hat. Dazu kam: So gut wie alle Fachleute, die in den Arbeitskreisen zu Wort kamen, haben die Forderungen des Volksbegehrens als notwendige Maßnahmen bezeichnet und zahlreiche darüber hinaus gehende Forderungen aufgestellt. Das lief von Sitzung zu Sitzung immer mehr in un­sere Richtung…

Grüne Post: Der Bayerische Bauern­verband hatte bis zuletzt gegen das Volks­begehren gearbeitet. Nun sagt Günther Fleißner, der mittelfränkische Präsident des Bayerischen Bauern­ver­bands und massiver Gegner des Volks­begehrens: “Das ist ein toller Tag für den Bauernverband. Was jetzt beabsichtigt ist, trägt zu 90 Prozent die Handschrift des Bauernverbands. Wir waren ja nie gegen Verbesserungen beim Arten­schutz” (Fränkische Landeszeitung, 4.4.2019). Da reibt sich der Beobachter der Diskussionen um das Volksbe­geh­ren denn doch verwundert die Augen. Was ist denn hier passiert?

Ludwig Hartmann: „Wir erheben nicht das Copyright auf den Tier- und Pflan­zenschutz in Bayern. Wenn sich der Bauernverband mit der Zustimmung zu den notwendigen Maßnahmen leichter tut, wenn er sie auch als eigenen Erfolg verkaufen kann, ist das für mich voll­kommen in Ordnung. Wichtig ist, dass wir am Ende des Tages wieder mehr Leben in unseren Fluren haben – mehr Insekten, Schmetterlinge, Vögel und auch mehr Blühpflanzen.“

Grüne Post: Markus Söder spricht nun von weiter gehenden Vorschlägen, zum Beispiel gegen die Lichtverschmutzung. Er spricht von einem “Versöhnungs­ge­setz” und einem “Generationen­vertrag”. Was kann man sich darunter vorstellen?

Ludwig Hartmann: „Das werden wir sehen. Erst einmal sind das nur die üblichen Worthülsen, in die Markus Söder sein politisches Handeln oder auch Nichthandeln immer verpackt. Ver-söhnung kann jedenfalls nicht schaden, weil die Gräben zwischen Umwelt­schützern und vor allem dem Bauern­verband schon ziemlich tief waren. Am Runden Tisch und in den Arbeitskreisen haben wir aber zu einer guten Ge­sprächsatmosphäre gefunden, übrigens ohne Markus Söder. Und Genera­tio­nenvertrag? Das ist anmaßend. Es ist doch eigentlich eine Selbstverständ­lich­keit, dass wir unseren Kindern und Enkeln die Welt nicht in einem schlech­teren Zustand hinterlassen, als wir sie vorgefunden haben. Schlimm genug, dass wir diese Verantwortung so spät wahrnehmen. Ich würde da eher von Wiedergutmachung sprechen und mich bei den nachfolgenden Generationen für den lange Zeit viel zu sorglosen Umgang mit unseren Lebensgrundlagen ent­schuldigen.“

Grüne Post: Und wie geht es nun insgesamt weiter?

Ludwig Hartmann: „Wir werden zu­nächst einmal darüber wachen, dass der Gesetzentwurf des Volksbegehrens wirk­lich eins zu eins umgesetzt wird und dass auch die versprochenen zusätz­lichen Maßnahmen kommen. Dazu braucht es dann auch zusätzliches Personal in den Unteren und Höheren Naturschutzbehörden, das den Vollzug begleitet. Da fordern wir als Bünd­nispartner 100 zusätzliche Stellen. Und: Dieses Volksbegehren war quasi ein erster Schritt hin zu mehr Umwelt- und Klimaschutz in Bayern, dem weitere folgen müssen. Der dritte Nationalpark für Bayern ist überfällig, das Thema der Zerstörung unserer Natur und geerbten Kulturlandschaft durch immer mehr Gewerbegebiete, Logistikhallen und überdimensionierte Straßenbauprojekte ist noch lange nicht vom Tisch. Die Menschen haben diese Probleme längst erkannt und fordern politisches Handeln ein. Wenn die Söder-Regierung sich da weiter hartleibig gibt, stehen die nächsten Volksbegehren schon vor der Tür…“

Grüne Post: Vielen Dank für dieses Gespräch und weiterhin viel Erfolg.

Das Interview führte Ursula Pfäfflin Nefian