Blick auf die Regierungsbank - Beständig an diesem Kabitett ist nur die Unbeständigkeit

Schwarz-gelbes Regierungs-Chaos – eine Halbzeitbilanz von Uwe Kekeritz

Es ist fast nicht zu glauben, dass die schwarz-gelbe Truppe erst Halbzeit hat. Gut zwei Jahre murksen Merkel und Westerwelle und seit einigen Monaten Merkel und Rösler herum. Nicht nur ich habe den Eindruck, dass diese Regierung nach zwei Jahren dort steht, wo Kohl nach 16 Jahren war: Am Ende. Einig sind sie sich selten. Eigentlich nur darin, dass dem jeweils anderen nicht zu trauen ist. Die gegenseitige Bezichtigung als „Wildsau“ und „Gurkentruppe“ war nicht der Höhepunkt, sondern der Beginn der Zwistigkeiten. Der von der Kanzlerin zuletzt beschworene Kompass funktioniert nicht – und hat das nie getan.

Steuererleichterungen in Form der Mövenpicksteuer für jene, die es wahrlich nicht brauchen. Sozialkürzungen bei den Schwächsten der Gesellschaft. Exemplarisch der Streit um eine grundgesetzkonforme Anpassung der Regelsätze für das ALG II oder jüngst bei der Reform der arbeitsmarktpolitischen Instrumente. Krass auch die Tatsache, dass vom großen Sparpaket der Bundesregierung, das Wirtschaft, Verwaltung und Soziales umfassen sollte, praktisch nur der Sozialbereich übrig geblieben ist. Auch im Haushalt für 2012 wird in keinem Ressort gespart, außer bei von der Leyens Arbeits- und Sozialministerium. Geradezu skandalös sind die Panzerexporte nach Saudi-Arabien und das Auftauchen von G36-Gewehren in Libyen.

Und hier ist auch eine schwarz-gelbe Linie zu erkennen: Großzügige Spenden führen offenbar zu geneigtem Verhalten. Erst die Spende vom Mövenpick-Eigner an die FDP und es gab Steuergeschenke. Vor kurzem wurden Spenden der Waffenschmiede Heckler und Koch an CDU- und FDP- Kreisverbände bekannt, in denen der Unionsfraktionsvorsitzende Kauder und der liberale Wirtschafts-Staatssekretär Pfaffenbach ihre politische Heimat haben.

Ausstieg aus dem Atomausstieg

Grandios gescheitert ist Merkel auch mit dem Versuch, ihren jahrelangen Gönnern der Energie- und Atomindustrie beizuspringen. Zwar hat Merkel ihre Zusagen zur Laufzeitverlängerung ebenfalls eingehalten. Die unvorstellbare Katastrophe in Fukushima hat die Regierung Merkel aber nun endlich auf den richtigen Kurs gezwungen. Der Kompass dafür war grün! Seit 30 Jahren gibt es in Deutschland eine stabile Mehrheit in der Bevölkerung gegen die Atomkraft. Endlich haben das auch die Konservativen anerkannt. Nicht schnell genug kommt der Ausstieg, das ist wahr. Dafür scheint der politische Streit darum nun entschieden. Die Regierung ist vor die Wand gelaufen. Gut so. Schrecklich nur, dass es dafür erst eine erneuten Katastrophe bedurft hat.

Allerdings ist das nur die halbe Miete. Schwarz-gelb liefert eben nicht, um einen Spruch des jungen Vorsitzenden der Liberalen aufzugreifen. Der Ausstieg ist zwar beschlossen, aber beim Einstieg in eine neue Energiewirtschaft und den Ausbau der Erneuerbaren schwächelt Merkel. Sie setzt aufs falsche Pferd. Statt dezentral und kostengünstig will Schwarz-gelb Windparks auf hoher See. Das ist teuer und noch unerprobt. Und es stärkt einseitig die Energieriesen. Statt die Strombranche zu demokratisieren bliebe deren Monopol bestehen. Und nun werden auch noch die GroßverbraucherInnen weiter entlastet und zahlen soll alles die kleine/n Haushaltskunden/innen. Das ist sozialpolitisch untragbar und für die Effizienz schädlich.

Regierung der Rücktritte…

Stilbildend für diese Truppe sind aber die zahlreichen Rücktritte und Rochaden im Kabinett. Der ehemalige Verteidigungsminister Franz-Josef Jung und Sonnyboy KT zu G schmissen hin. Rainer Brüderle verließ das Ministerium in Richtung Fraktionsvorsitz und verdrängte dort die unglückliche Frau Homburger. Ursula von der Leyen, Thomas de Maiziere und Philipp Rösler wechselten das Ressort. Nachgerückt sind Hans-Peter Friedrich, Kristina Schröder und Daniel Bahr. Stabilität sieht anders aus. Und das nachrückende Personal ist – siehe Frau Schröders zweifelhaftes Agieren beim Kampf gegen Rechts – nicht immer erste Klasse.

Bemerkenswert ist vor allem das Schlingern der FDP. Der als Befreiungsschlag gedachte Rücktritt Westerwelles vom Parteivorsitz war ein Schlag ins Wasser. Angst ums einzige Thema der Steuersenkungen und der Blick in den Abgrund der Bedeutungslosigkeit machen die gelbe Truppe immer unberechenbarer. Jüngst ist auch noch deren Generalsekretär Christian Lindner – neben KT schon der zweite gescheiterte „Hoffnungsträger“ – vor dem Zerfall der Regierung und dem euroskeptischen Kurs bei mehr oder weniger großen Teilen der Liberalen geflohen.

Euro-Schulden-Krise

Die Euro-Schulden-Krise ist der Dauerbrenner dieser Regierung und – wenn es bei der FDP so weiter geht – auch deren Spaltpilz. Merkel agiert hier viel zu zögerlich und zaudernd. Nicht nur, weil es sich um ein Experiment handelt, bei dem man auf Sicht fahren muss und niemand aus Erfahrungen der Vergangenheit Schlüsse für die Zukunft ziehen kann. Fatal ist die Rücksichtnahme auf die ideologischen Positionen der FDP bei der Bekämpfung der Schulden-Krise. Alle, aber wirklich alle Thesen der Marktradikalen wurden von den Ereignissen seit der Lehman-Pleite widerlegt. Das Pochen auf die Zinskeule, um die Ausgaben der Staaten zu disziplinieren, ist Augenwischerei. Wenn die Märkte funktionieren würden, dann wären die Zinsen für Griechenland nicht erst absurd niedrig gewesen und jetzt panisch hoch. Spanien und Irland waren haushaltspolitische Musterknaben – und trotzdem kommen sie jetzt kaum an frische Kredite zur Umschuldung ihrer alten. Der Markt hat versagt und versagt weiter – nur die FDP will das nicht erkennen.

Die gemeinsame Haftung für Schulden nach dem Modell der Wirtschaftsweisen, dürfte – nachdem Merkel viel zu lange gezögert und gezaudert hat – nun der einzige Ausweg sein, die Panik zu beenden und wieder Vernunft einkehren zu lassen. Haushaltsdisziplin muss gelten. Dazu ist der Dreiklang aus Streichen unsinniger Ausgaben, Abbau von unnötigen oder gar ökologisch schädlichen Subventionen und Steigerung der staatlichen Einnahmen, also Steuerhöhungen nötig. Das gilt für Deutschland und die anderen Euro- Länder. Für letztere braucht es aber zusätzlich Perspektiven, also Investitionen in die Zukunft. Gerade der ökologische Umbau der Wirtschaft bietet hier bislang ungenutzte Chancen. Kluge Politik verbindet eben beides: Konsolidierung und Investitionen.

Ausblick auf 2012

Das neue Jahr wird – leider – so weiter gehen, wie das alte endet. Die Euro- Schuldenkrise ist noch lange nicht gelöst und es steht zu befürchten, dass diese Regierung in ihrer heutigen Zusammensetzung das auch nicht hinbekommt. Wir steuern auf eine leichte Rezession zu. In der Meteorologie trägt jedes Tief einen Namen. Dieses Wirtschaftstief wird Angela heißen. Die Bundeskanzlerin ist zu einem gehörigen Teil daran schuld, dass Europa in den wirtschaftlichen Sinkflug übergeht. Die Regierung ist eigentlich am Ende, hoffen wir, dass es auch tatsächlich bald kommt.

Ihr Uwe Kekeritz