Leserbrief

Zum Artikel „Kleines Wohnhaus der Großmutter wurde zum Heim für vier­köpfige Familie“ von Barbara Schwörer-Willis

Ein schöner Artikel über die Nutzung von Altbauten und gegen die Flächen­versie­gelung. Aber: „Als wir nach Gutenstetten zogen“. Wohin zog denn die Familie von Barbara? In ein neues Haus im neuen Wohnbaugebiet. Schauen wir uns doch einmal um in Gutenstetten. Wo wohnen die meisten der grünen Kommunal­po­litiker und ihre Wähler? Richtig. In schö­nen neuen Häusern in ehemals neuen Wohnbaugebieten. Sie trugen also in Gutenstetten nicht unerheblich zur Flächenversiegelung bei. Und jetzt? Ich habe mein Haus, was gehen mich die anderen an? Denen kann ich ja ein schlechtes Gewissen einreden. Das nenne ich Chuzpe.

Mit freundlichen Grüßen

Jürgen Lussert

 

Eigentlich hast Du ja Recht, Jürgen!

Ich hab natürlich gut reden mit meinem (inzwischen viel zu großen) Haus im ehe­maligen Neubaugebiet. Aber lass mich erzählen, wie es zu unse­rem Hausbau in den Jahren 1987/88 kam.

Wir lebten damals in einer Wohnge­meinschaft in Neustadt, und das dritte Kind hatte sich angekündigt – wir brauch­ten einfach mehr Platz. Ein mit uns befreundetes Paar hatte bereits drei Kinder und lebte ebenfalls sehr beengt. So kam die Idee auf, nach einer ge­meinsamen neuen Bleibe für uns zehn zu suchen. Da wir Erwachsenen beruf­lich an Neustadt bzw. Bad Windsheim gebunden waren, schauten wir uns verschiedene ‚gebrauchte‘ Anwesen dort und in der nahen Umgebung an. Aber diese waren allesamt entweder zu klein oder dann doch viel zu groß. Schließlich kam die Idee auf, zusammen zu bauen: Ein Haus, dessen ‚Mittelteil‘ gemeinsam genutzt werden konnte, das den beiden Familien aber trotzdem Pri­vatsphäre lassen sollte. Dieses Pro­jekt erwies sich als äußerst planungs- und daher zeitaufwändig und auch ein pas­sender Bauplatz war nicht leicht zu fin­den. Auf der Suche nach Letzterem ka­men wir schließlich nach Guten­stetten, und mein Mann und ich ver­liebten uns auf der Stelle in das sonnige Hang­grundstück, auf dem wir jetzt woh­nen. Es war aber nur für ein Ein­familienhaus vorgesehen, denn unser heutiger Obst­garten galt als Abstands­fläche zum da­mals noch voll wirt­schaftenden angren­zenden Bauernhof. Das Grundstück auf der anderen Seite hatten bereits Ortsan­sässige erworben. Also beschlossen un­sere beiden Fa­milien, einander fast ge­genüberliegende Bauplätze zu kau­fen. Rasch wurde gebaut und bald kam in jeder Familie auch noch ein viertes Kind zur Welt.

Schon damals war es vor allem mir, aber auch großteils den anderen wichtig, mit der Natur und ihren Ressourcen scho­nend umzugehen. Beispielsweise erle­digten wir viele Fahrten in die Arbeit oder zum Einkaufen mit Fahrrädern und teil­weise Öffis. So kamen wir 12 Per­sonen immerhin mit nur zwei Klein­bussen aus, und auch davon stand einer meist. Wald­badbesuche und ähnliches unter­nahmen wir meist mit einem Auto. Unter der Woche wurde abwechselnd gekocht und die Nachbarfamilie konnte am ge­deckten Tisch Platz nehmen.

In meiner Familie (ich bin eine Wirts­tochter) hatte nie jemand Eigentum be­ses­sen, und auch meine drei Geschwi­ster hatten alle kein Haus. Mir ging es eigentlich nur um den Platz und ein Leben nahe der Natur, nicht um Besitz. Und ein Garten war etwas völlig Neues und Erfüllendes für mich.

Mein Umweltbewusstsein wuchs mit der Zeit und brachte mich zu den GRÜNEN, und einiges habe ich bestimmt an meine inzwischen erwachsenen Kinder weiter­gegeben. Drei von ihnen leben zur Miete in Altbauten, eines hat in eine Eigen­tumswohnung (in einer zu Wohnraum umgewandelten ehemaligen Scheune!) ‚eingeheiratet‘; nur eines hat bisher ein Auto gekauft. Sie ernähren sich größten­teils ökologisch und versuchen, Verpac­kungsmüll zu vermeiden. Außerdem flie­gen sie nur äußerst selten in den Urlaub.

Ich selbst habe das Fliegen inzwischen ganz eingestellt. Unseren Strom erzeu­gen wir selbst, Brauchwasser kommt aus einer Zisterne und vom Erdöl wer­den wir demnächst ganz abkommen. Bald wird ein Teil unseres Hauses auch wieder vermietet werden können.

Auch ich wurde nicht als GRÜNE geboren, sondern habe mich allmählich zu einer solchen entwickelt. Und einen Lernprozess sollte man doch jedem Menschen zugestehen. Was ich mit meinem heutigen Bewusstseinsstand und dem jetzigen Wissen über den Zustand unserer Umwelt, vor allem über die stets zunehmende Versiegelung, anders machen würde? Nun, ich würde ganz bestimmt noch viel intensiver nach einem gebrauchten Haus suchen (der heutige Immobilienmarkt hat allerdings auch weitaus mehr anzubieten). Falls dann doch ein Neubau ‚nötig‘ wäre, wür­de ich mehr in die Höhe als in die Breite bauen, den Dachboden noch eindeu­tiger als Wohnraum nutzen (mit Treppe, größeren Fenstern, Heizung und klei­nem Sanitärbereich) sowie einige Räu­me verkleinern.

Herzlich, Barbara Schwörer-Willis