Klimaschutz, Energiewende, Flüchtlinge...

Ein Gespräch mit Katharina Schulze über die wichtigsten Themen unserer Zeit

Grüne Post: Liebe Katharina, dieser Tage hört und liest man wieder mal viel, was Herr Söder oder Herr Aiwan­ger über die Klimakrise sagen. Sucht man allerdings konkrete Maßnahmen wird man regelmäßig enttäuscht. Selbst die bayerische Wirtschaft ver­langt von ihnen mehr Engagement, zum Beispiel beim Ausbau der erneu­erbaren Energien. Was ist da los? Warum lassen die beiden Herren Bayern hier seit Jahren bewußt an die Wand fahren? Wie schätzt Du das ein?

Katharina Schulze: Markus Söder ist bei der Energiewender der Bremser der Nation. Anstatt beim Windkraft­aus­bau vom „Spargelschock“ zu spre­chen, sollte Markus Söder die Energie­wende endlich ernst nehmen – sie ist nicht nur für den Klimaschutz zentral, sondern auch ein Sicherheitsthema, wie Russlands schrecklicher Angriffs­krieg auf die Ukraine gerade wieder zeigt. Wir Grüne wollen schneller raus aus Öl, Kohle und Gas und hin zu Erneuerbaren Energien, denn Wind und Sonne gehören uns allen und können nicht von Diktator*innen ver­einnahmt werden.

Grüne Post: Welche konkreten Maß­nahmen würdet Ihr in Bayern beim Thema erneuerbare Energien ergrei­fen, wenn die Grünen nach der näch­sten Landtagswahl in Regierungsver­antwortung kämen?

Katharina Schulze: Konkret wollen wir Grüne im Landtag, dass endlich die 10H-Regelung ersatzlos gestrichen wird und 2 Prozent der Landesfläche zur Nutzung der Windenergie in Ein­klang mit Mensch und Natur ausge­wiesen werden.

Außerdem müssen die Biogasanlagen im Freistaat flexibilisiert werden, sie sind ein wichtiger Baustein der Ener­giewende, weil sie Strom flexibel pro­duzieren können und somit Sonne und Wind gut ergänzen. Darüber hinaus braucht es einen Netzausbau, damit sich die Erneuerbaren Energien ge­gen­seitig unterstützen können und Regionen mit viel Wind und Regionen mit viel Sonne vernetzt sind. Und: Auf einen Teil der Anmoor- und Nieder­moorflächen in Bayern wollen wir Pho­to­voltaik-Freiflächenanlagen er­rich­ten. Man sieht also, es gibt viel zu tun – und das schöne ist, Bayern kann viel tun! Was es braucht ist eine Regierung, die die Energiewende ernst nimmt. Gut, dass 2023 Wahl ist…

Grüne Post: Zur Energiewende ge­hört ja nicht nur die Umstellung auf andere Energieträger, sondern auch die Reduzierung des ständig wach­senden Energieverbrauchs. Welche Möglichkeiten siehst Du hier?

Katharina Schulze: Robert Habeck hat mit seinem „Arbeitsplan Energie­effizienz“ einen konkreten Maßnah­men­katalog vorgelegt, wie wir mit Energiesparen mehr Unabhängigkeit von Russland erreichen können. Das beinhaltet die Unterstützung bei der energieeffizienten Dämmung von Häu­sern oder dem Tausch von alten Öl- und Gasheizungen, eine Wärme­pum­pen-Offensive sowie Energieberatung für Unternehmen, Gewerbetreibende und Verbraucher*innen. Aber auch im Kleinen kann jede und jeder von uns seinen Beitrag im Alltag leisten: Wo möglich statt dem Auto das Fahrrad oder ÖPNV nutzen, LED-Lampen zu Hause anbringen oder Haushalts­ge­räte energiesparend betrieben. Meine Fraktion hat im bayerischen Landtag außerdem gerade ein Wärmegesetz vorgelegt, mit dem klimaneutraler Ge­bäu­debestand bis 2040 zielsicher erreicht werden kann.

Grüne Post: In unserem Landkreis wurde – leider erst kurz vor Corona – begonnen, den Öffentlichen Perso­nen­nahverkehr (ÖPNV) auszubauen. Auch die Dörfer unserer Gemeinde profitieren davon durch zwei Buslinien und das Anrufsammeltaxi. Allerdings werden diese Angebote nur sehr zö­ger­lich angenommen, was sicher auch, aber nicht nur mit Corona zu tun hat. Das birgt natürlich die Gefahr, daß Buslinien wieder abgebaut werden, weil sie nicht wirtschaftlich fahren kön­nen. Welche Möglichkeiten siehst Du hier mit Grünen in bayrischer Regie­rungsverantwortung?

Katharina Schulze: Das Thema Mobi­lität auf dem Land liegt meiner Fraktion und mir sehr am Herzen – über 56 Prozent der bayerischen Bevölkerung lebt aktuell im ländlichen Raum und Mobilität bedeutet für viele Bür­ger*innen gesellschaftliche Teil­ha­be. Die Menschen außerhalb der Groß­städte haben genauso wie die Men­schen in der Stadt ein Recht da­rauf, mobil zu sein, für Ausbildung, Beruf, Arztbesuche, Einkaufen und Freizeit auch ohne eigenes Auto – und nach­haltig. Es braucht einen massiven Aus­bau des ÖPNV sowie die Digi­tali­sie­rung der vorhandenen Strukturen – wir wollen die Mobilitätsgarantie für Bay­ern, sprich von 5 Uhr früh bis Mitter­nacht soll in Zukunft jede Stunde ein Zug, Bus, Ruftaxi in jedem Ort in Bayern kommen.

Außerdem müssen wir im ländlichen Raum unvermeidbare Kfz-Fahrten re­du­zieren bzw. besser auslasten. Mo­men­tan ist der Nahverkehr lediglich eine freiwillige Aufgabe der Landkreise und kreisfreien Gemeinden. Durch eine Aufwertung des ÖPNV zu einer Pflichtaufgabe werden die Kommunen mit entsprechenden Mitteln von der Landesebene für den Betrieb des ÖPNV ausgestattet – und das ist heut­zutage bitter nötig, wenn man sieht, dass sich beim Klimaschutz im Ver­kehrsbereich zu wenig tut. Ebenso braucht es eine App, die alle Infos in Echtzeit zur Verfügung stellt und ein besseres Ridesharing. Ich plädiere da­für, dass diese Vernetzung im Rahmen eines „Mobilpasses“ für alle einfach nutzbar ist und einem einfachen Tarif zugrunde liegt. Die App vernetzt die ganze Fahrt von Tür zu Tür mit allen Mobilitätsformen: Roller, Fahrrad, Lasten­rad, Auto, Sammeltaxi, Linien­bus, Rufbus, Ausflugsbus und Zug. Je geringer die Hürde und je größer die Zuverlässigkeit, desto eher wird das eigene Auto stehen bleiben – und Familien auf dem Land können z.B. das Zweitauto abschaffen!

Grüne Post: Ein Thema, daß uns derzeit alle umtreibt, der Überfall der russischen Armee auf die Ukraine: Wie in ganz Deutschland ist auch in un­serer Gemeinde die Hilfsbereitschaft der Menschen überwältigend. Es wird Wohnraum und persönliche Hilfe im Umgang mit den Behörden ange­bo­ten, Treffen organisiert, Kleidung, Mö­bel, Ausstattung, Schulbedarf, Fahr­räder und vieles andere gespendet. Gerade jetzt ist ein Laster mit gespen­deten Lebensmitteln aus der Gemein­de Gutenstetten und der Nachbar­gemeinde Burghaslach in die Ukraine unterwegs. Doch immer mehr hat man das Gefühl, die Bayrische Staats­re­gierung will das gar nicht. Nicht nur, daß die ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer kaum bis keine offizielle Unterstützung bekommen – aber das erwartet man leider auch schon nicht mehr – sondern uns werden immer mehr Steine in den Weg geworfen. Jüngstes Beispiel: eine Mutter mit kleinem Kind, die nach langer Flucht und vielen Hindernissen in einer liebe­vollen privaten Unterkunft in Guten­stetten/Bergtheim aufgenommen wur­de, erhielt vom Landratsamt Knall auf Fall den Befehl zur Umsiedlung nach Thüringen. Nur durch das engagierte Eintreten Vieler konnte dies gerade noch verhindert werden. Was steckt hinter diesem Handeln? Und was könnt Ihr als parlamentarische Oppo­sition tun, um dem entgegen zu wirken und die Ukrainer hier und in ihrer Heimat zu unterstützen?

Katharina Schulze: Die Bilder von Putins grausamem Angriffskrieg in der Ukraine treffen auch mich bis ins Mark. Ich bin so dankbar für die große Hilfs­bereitschaft in den Kommunen und in der Zivilgesellschaft! Die Zahl der in Bayern ankommenden Geflüchteten wird weiter anwachsen, viele der An­kommenden sind traumatisiert und haben deshalb besonderen Unterstüt­zungs­bedarf. Die Söder-Regierung muss hier tätig werden und darf die Verantwortung nicht auf die Kom­munen und engagierte Bürger*innen abwälzen - meine Kollegin Gülseren Demirel und ich haben bereits im März ein 7-Punkte-Papier vorgestellt, wie Geflüchtete in Bayern menschen­wür­dig aufgenommen und bei der Inte­gration unterstützt werden können. Wir fordern unter anderem, dass die Kom­munen schneller finanziell und perso­nell unterstützt werden müssen, denn die Landkreise und Kommunen haben enorme Kosten, sie schaffen teilweise zusätzliche Stellen für die Träger, ob­wohl sie gar nicht zuständig wären und haben hohe Ausgaben für Helfer­kreise und Verwaltung. Außerdem wol­len wir, dass jedem Kind der Zugang zu Bil­dung ermöglicht wird und dass psy­cho­soziale Zentren und dezentrale Netz­werke in Bayern aufgrund der hohen Traumatisierung der Geflüch­teten massiv ausgebaut und finanziell gestärkt werden müssen. Darüber hin­aus muss der Freistaat sicherstellen, dass den Geflüchteten die Integration in den Arbeitsmarkt ermöglicht und Qualifikationen anerkannt werden.

Grüne Post: Es gäbe noch so viele Themen, die man diskutieren müßte. Doch jetzt erst einmal herzlichen Dank für dieses interessante Gespräch und weiterhin viel Erfolg bei Deiner politi­schen Arbeit!

Das Interview führte Ursula Pfäfflin Nefian

Fotos: Andreas Gregor