Fluchtursachen wirksam bekämpfen

02.02.2016

Veranstaltung mit MdB Uwe Kekeritz

Zur Veranstaltung in Markt Erlbach waren am Dienstagabend ca. 60 Interessierte gekommen, um sich über die weltweiten Fluchtursachen zu informieren. Der Grüne Ortsverband Markt Erlbach/Neuhof hatte dazu ins Bürgerhaus geladen und neben vielen Interessierten waren auch Vertreter des Markt Erlbacher Gemeinderates gekommen, um über das wichtige Thema Fluchtursachen und dem zukünftigen Umgang mit Flüchtlingen, zu diskutieren.

Zunächst berichtete Eva Hösch über die Fluchtgründe unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge aus Afghanistan/Hazaradschat, die sie im Rahmen ihrer Masterarbeit interviewte. Obwohl den Minderjährigen bewusst ist, dass ihre Chancen, heil in Europa anzukommen, nur bei ca. 50 Prozent stehen, nehmen viele Jugendliche diese beschwerliche Reise auf sich. Afghanistan sei v.a. für Schiiten, trotz aktueller Medienberichte, keinesfalls ein sogenanntes "sicheres Herkunftsland". Verschiedene ethnische Gruppen besetzen die Regionen des Landes und die dortigen Lebensverhältnisse sind anders als in Deutschland oder Europa maßgeblich von Clanstrukturen bestimmt. Ohne die Einbindung in diese Clans, sei es aufgrund fehlender staatlicher Sicherheitssysteme unmöglich, dort ein gutes Leben zu führen. Weiterhin existieren keine wirklich sicheren Gebiete im Staat Afghanistan, da es zwar von den eigenen Ethnien besetzte Regionen gibt, doch auch diese oft nicht friedlich bewohnbar sind, z.B. aufgrund der Kontrolle und Abriegelung wichtiger Zufahrtsstraßen durch die Taliban oder der sunnitischen Mehrheit im Land.

Im Anschluss an die thematische Einführung klärte der Grüne Entwicklungspolitiker Uwe Kekeritz über die Hintergründe der häufigsten Fluchtursachen auf. "Krieg, Hunger, absolute Perspektivlosigkeit und die Folgen der Klimakrise sind die Gründe weshalb Menschen ihre Heimat verlassen müssen. Diese Fluchtursachen müssen wir wirksam bekämpfen. Dabei tragen Deutschland und Europa besondere Verantwortung, weil ihre Politik der letzten Jahrzehnte wesentlich zu den Fluchtursachen beigetragen hat" so Kekeritz. Der Uffenheimer sitzt seit 2009 für die Grünen im Bundestag. Davor war Kekeritz fast zwei Jahrzehnte in der Kommunalpolitik aktiv. Außerdem bringt er zwei Jahre Erfahrung als Entwicklungshelfer mit. Als Sprecher für Entwicklungspolitik der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat er sich in den vergangen Jahren auch in vielen Krisenländern ein Bild vor Ort machen können.

Weltweit sind schätzungsweise 62 Millionen Menschen auf der Flucht. Nur ein sehr kleiner Teil von ihnen schafft es nach Europa und nach Deutschland. Der weitaus größte Teil findet Zuflucht in den Krisenstaaten selbst sowie in der Türkei, in Pakistan, im Libanon, im Iran, in Äthiopien und Jordanien. Dort leben sie unter zum Teil prekärsten, menschenunwürdigen Bedingungen. Die Herausforderungen dort sind ungleich größer als hier bei uns vor Ort.

Vor allem die große Armut in weiten Teilen der Erde ist weltweit die Fluchtursache Nummer Eins. Heute besitzen laut einer Oxfam-Studie 62 Menschen so viel wie die Hälfte der Weltbevölkerung, also so viel wie 3,6 Milliarden Menschen. Diese Konzentration des Vermögens auf Wenige, die laut Prognosen zukünftig noch dramatischer sein wird, trägt dazu bei, dass andere Fluchtursachen damit noch mehr begründet werden.

Deutschland ist der viertgrößte Waffenexporteur weltweit und sogar der zweitgrößte Exporteur von Panzern. Kekeritz erinnerte beispielsweise an den "skandalösen" Export von 200 Kampfpanzern vor wenigen Jahren nach Saudi-Arabien, einem Land "wo systematisch die Menschenrechte missachtet werden". Waffenlieferungen und Export von Rüstungsgütern in Konfliktregionen dürfe es nicht weiter geben. 

Aber auch die Handels- und Agrarpolitik wurde wegen ihrer Auswirkungen auf die Menschen in Entwicklungsländern kritisiert: "Wir müssen endlich das Heft in die Hand nehmen und global faire Strukturen etablieren. Es kann nicht sein, dass immer noch durch massive EU-Subventionen im Landwirtschaftsbereich oder durch europäische Exporte billiger Hähnchenschenkel und Milchpulver die Heimatmärkte in den armen Ländern der Welt zerstört werden und Kleinbäuerinnen und- bauern die Lebensgrundlage entzogen wird", so Kekeritz.

Ebenso rief er die Millionen von Menschen, insbesondere Kinder in Erinnerung, die unter gefährlichen und ausbeuterischen Bedingungen in Fabriken, Steinbrüchen und auf Plantagen schuften müssen. Auch um deren Situation zu verbessern, fordern die Grünen seit Jahren gesetzlich verbindliche Regeln für die globalen Lieferketten, z.B. mehr Transparenz bei Konfliktrohstoffen.

"Europäische Verhältnisse - unser Wirtschaften und unser Konsum - haben dramatische Auswirkungen auf Millionen von Menschen in Entwicklungsländern indem sie deren Lebensgrundlagen zerstören." Die in ihrer Heimat verbleibenden Menschen sind oft weniger wohlhabend und gebildet als die Fliehenden und aufgrund ihrer Perspektivlosigkeit empfänglicher für extremistische Strömungen.

"Deutschland ist eines der größten Waffenexportländer und wirtschaftlich einer der stärksten Global Player. Uns kommt also eine besondere Verantwortung zu für Frieden und globale Gerechtigkeit einzutreten, um so die Fluchtursachen wirksam zu bekämpfen. Schon jetzt muss Deutschland mehr tun, zum Beispiel bei der Finanzierung des Welternährungsprogramms", forderte Kekeritz.

Neben den beiden Referenten kamen auch die Vertreter der Asyl-Helferkreise aus Neuhof, Thomas Kirchdörfer, und Markt Erlbach, Kay Reinle-Ortner, zu Wort. Trotz vieler Schwierigkeiten, aktuell vor allem die anstehende Wohnraumnot für anerkannte Flüchtlinge sowie oft unzureichender Unterstützung, sei die Arbeit mit den geflüchteten Menschen äußerst bereichernd und neue UnterstützerInnen sind immer gerne willkommen.