"Es fehlt Mut und der Plan zur Umsetzung..." - Haushaltsrede 2021

"Unsere Frustration über die mangelnde Umsetzung von Investitionen und Stadtratsbeschlüssen ist auf einem neuen Höhepunkt angekommen."

Die Rede zum Haushalt des Jahres 2021:

Ein kurzer Rückblick in das Jahr 2020: Trotz Corona ist unsere Rücklage um Sage und Schreibe 25 T.EUR reduziert worden. Gleichzeitig wurden Schulden in Höhe von 917 T.EUR getilgt. Folglich wieder knapp 900 T.EUR mehr Geldvermögen bei der Stadt. Diese Mehrung fällt nur so gering aus, da viel Grundbesitz für die geplanten Baugebiete erworben wurde. Hätten wir nur so viel Vermögen erworben, wie wir veräußert haben, wären nochmal 2.449 T.EUR mehr auf unseren Konten. Sprich wir haben im Coronajahr 2020 letztlich 3.341 T.EUR angehäuft, die wieder nicht in die dringend notwendigen Investitionen geflossen sind.

Leider befürchten wir, dass der Haushaltsplan wie gewohnt nicht das Papier oder den Speicherplatz wert ist, worauf er gedruckt oder gespeichert wurde. Nach wie vor wird darunter wohl eher eine Aufzählung von Optionen, als ein Auftrag verstanden. Bereits vorweg: Unsere Frustration über die mangelnde Umsetzung von Investitionen und Stadtratsbeschlüssen ist auf einem neuen Höhepunkt angekommen:

Es ist frustrierend, dass...

  • ...über ein Jahr nach dem Beschluss zur Erstellung eines Konzepts zur vorrangigen Zuteilung der Wohnbaugrundstücke an Einheimische dieses nicht realisiert wird.
  • ...nach über einem Jahr der Beschluss zur Erstellung eines Verkehrskonzepts im Zusammenhang mit der Ausweisung des Baugebiets auf der Höhe III noch nicht einmal in Auftrag gegeben wurde.
  • ...der Fortschritt der Baugebiete seit Jahren stockt.
  • ...immer mehr Straßen in Neustadt mehr einer Buckelpiste als einer Straße gleichen.
  • ...nach fast einem Jahr geschlossener Sportstätten die dringend notwendigen Sanierungen noch nicht einmal geplant wurden.
  •  ...ein Gewässerentwicklungskonzept, das ganz konkrete Maßnahmen enthält, noch nicht angepackt wurde.
  • ...eine ebenfalls beschlossene Machbarkeitsstudie zur Nutzung des Areals des aktuellen Feuerwehrgerätehaus‘ bisher nicht in Auftrag gegeben wurde.
  • ...bei jeder Anfrage, jedem Antrag und jeder Idee immer die mangelnden Personalkapazitäten herangezogen werden.

Dieser Stadtrat hat dem Bürgermeister, jedenfalls seitdem ich die Kommunalpolitik vor Ort verfolge, keine einzige Personalmehrung verweigert. Dass in Ämtern Führungslosigkeit herrscht und in anderen Ämtern mangels notwendiger Personalausstattung Angestellte entweder krank werden oder Unsummen an Überstunden auflaufen, ist ein untragbarer Zustand und nachdem wir seit mittlerweile 13 Jahren denselben Bürgermeister haben auch in dessen Verantwortung. Wir haben das unglaubliche Glück, dass eine motivierte, kompetente und engagierte Hauptamtsleiterin den Weg nach Neustadt gefunden hat und in den vergangenen zwei Jahren bereits deutlich sichtbare Erfolge vorweisen kann. Allein die Umstellung auf ein Ratsinformationssystem, die Neuorganisation für unsere Kinderbetreuungseinrichtungen und des Kulturamts ist bemerkenswert, um nur drei Themen herauszunehmen. Hier ist in großen Teilen der Verwaltung regelrecht eine Aufbruchsstimmung erkennbar. Dafür ein ganz spezieller Dank an Karin Mosch!

Eine vermeidbare Katastrophe im Hinblick auf die Entwicklung unserer Stadt ist für mich die Tatsache, dass wir aktuell – eventuell mit Ausnahme der Rückkäufe auf Grund auslaufender Bauverpflichtungen – kein einziges Grundstück mehr in städtischen Besitz haben für Wohnungsbau oder Gewerbe. Das hat zur Folge, dass wir Neustädter Unternehmern keine Angebote machen können, obwohl sie gerne sich hier verändern oder erweitern möchten. Das hat auch zur Folge, dass Neustädter wegziehen, weil sie für ihre Familien keine Wohnmöglichkeiten erhalten. Eine vorausschauende Planung hätte diesen Zustand niemals zugelassen und wir befürchten, dass wir diesen durch die genannten Folgen teuer bezahlen werden.

Es ist so viel zu tun und wir kommen nach wie vor nicht in die Gänge. Das Bauamt ist seit Jahren an der Belastungsgrenze angekommen bzw. überschreitet diese. Wie sollen hier Kapazitäten entstehen, dass künftig mindestens drei Millionen Euro mehr pro Jahr investiert werden können? Wie kann es sein, dass eine vom Stadtrat bewilligte Stelle in der Hochbauabteilung seit 2019 unter fadenscheinigen Gründen unbesetzt bleibt, was zur langfristigen Erkrankung der vorhandenen Architektin und deren Ausscheiden beigetragen hat? Offensichtlich besteht eine gewaltige Differenz hinsichtlich des Verständnisses zum Thema Sparsamkeit zwischen dem Bürgermeister und uns. Weder ist es sparsam, dass notwendige Investitionen verschoben werden, da diese dadurch nicht verschwinden und bis zur Umsetzung – siehe Straßen und Gebäude – einen erhöhten Unterhaltungsaufwand verursachen. Der Geiz hinsichtlich der eigenen Personalausstattung führt zu Verzögerungen bei Bauprojekten und damit völlig nachvollziehbar zu höheren Kosten. Mit dieser mutlosen Politik sparen wir keinen Euro, sondern verschieben die Belastungen schlicht auf die kommenden Jahre.

Von den eingeplanten Baumaßnahmen im Haushalt 2020 wurden von 9,6 Millionen Euro gerade einmal 5,574 Millionen Euro investiert. Im Finanzplan damals standen für 2021 Baumaßnahmen in Höhe von 12,161 Millionen Euro. Nun veranschlagen wir für dieses Jahr Baumaßnahmen im Vermögenshaushalt in Höhe von 8,175 Millionen Euro. Wir haben im Jahr 2020 nicht so viel umgesetzt, wie veranschlagt war und schrauben dann die Investitionen in 2021 nochmals nach unten? Wo sind die Projekte hin? Hier sind Maßnahmen in Höhe von acht Millionen Euro verschwunden.

Erfolglos suchen wir in unserem Haushalt nach Gestaltung und finde lediglich Verwaltung. Wir sehen in unserem Haushalt keine optionalen Positionen mehr. Zeigt uns die Visionen! Das sind entweder längst überfällige oder dringend notwendige Positionen. Finanziell sehen wir durchaus Spielraum für Visionen. Es liegt also an der Umsetzung.

Wir hatten vergangenes Jahr noch mit viel Optimismus versucht die Haushaltsrede so positiv wie möglich zu gestalten. Am Ende überwiegt der Frust darüber, dass es nicht am exzellent erstellten Haushaltsplan der Kämmerei liegt, dass Neustadt kaputtgespart wird, sondern der Mut und der Plan zur Umsetzung fehlt. Auch wenn es schwer fällt zu akzeptieren, ist mein Optimismus verflogen, dass unter dieser Führung und der dadurch in den vergangenen Jahren entstandenen Strukturen unserer Verwaltung schnell eine Dynamik entsteht.

Wir möchten uns an dieser Stelle ganz ausdrücklich bei der gesamten Verwaltung bedanken, die ein Jahr gemeistert hat und immer noch meistert, das unter Pandemiebedingungen herausfordernd war und ist. Auch unseren Ehrenamtlichen, die in diversen Vereinen tätig sind, wünschen wir viel Motivation für den kommenden Restart. Ich hoffe, dass jeder Verein, unabhängig von dessen Betätigungsfeld, keinen Mitgliederschwund erleidet und auch die ehrenamtlich Engagierten weiter zur Verfügung stehen. Auch in Zukunft werden wir uns dafür einsetzen, dass hier von städtischer Seite die notwendige Unterstützung eurer Arbeit geleistet wird.

i.A. David Muck

Stadtratsfraktion - Bündnis 90/Die Grünen