20 Jahre Gentechnik - und jetzt? Professor Andrioli in der Stadthalle in Uffenheim

Vor mehr als 200 Gästen sprach am Freitag der brasilianische Agrarexperte Prof. Antonio Andrioli in der Stadthalle in Uffenheim. Sie alle wollten hören, welche Erfahrungen in Brasilien gemacht wurden, in einem Land, in dem seit vielen Jahren gentechnisch veränderte Pflanzen angebaut werden.

Eingeladen wurde Prof. Andrioli von der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL), Mission EineWelt, Brot für die Welt, BUND Naturschutz NEA und Bündnis90/Die Grünen. Die Kreisvorsitzende Ruth Halbritter begrüßte im Namen aller Mitveranstalter Herrn Andrioli in Uffenheim. Zur Begrüßungsrede

Prof. Andrioli ist Vize-Rektor der staatlichen Universität da Frontera Sul im Süden Brasiliens. Als Mitglied der brasilianischen Biosicherheitskommission hat er einen guten Überblick über die aktuelle Situation in Brasilien. Mehr als 30 verschiedene gentechnisch veränderte Pflanzen (GVO) sind in Brasilien für den Anbau zugelassen, meist gentechnisch veränderter Mais, Soja und Baumwolle. Die Pflanzen enthalten ein Bt-Gift gegen Insekten oder sind resistent gegen Herbizide.

Bei den 18 verschiedenen Sorten GVO-Mais hat sich bereits ein Insekt als resistent gegen das Bt-Toxin entwickelt, die Baumwollkapseleule. Sie richtet zur Zeit großen Schaden in den Maisbeständen an, denn es gibt kein zugelassenes Gift mehr für ihre Bekämpfung. Deshalb überlegt man, jetzt notfallweise auch ein für das menschliche Nervensystem toxisch wirkendes Gift zuzulassen. Andrioli beklagt, dass viele der GVO zwar getestet wurden auf ihre Wirkung hinsichtlich ihrer Schädlinge, nicht aber auf die Auswirkungen auf die Tiere, für die sie Futterpflanze sind. Da durch den Anbau der Bt-produzierenden Pflanzen auch die Freßfeinde der Schadinsekten vernichtet wurden, gibt es jetzt keine natürlichen Regulativen mehr.

Auch der Stoffwechsel der Pflanze selbst ändert sich durch die Gentechnik. So wurde festgestellt, dass sich im Umfeld von GVO-Soja weniger Bodenbakterien finden, damit wird weniger Stickstoff gebunden und die Pflanze enthält weniger Eiweiß. Dieses Eiweiß ist in der Tiermast wichtig.

Durch den Anbau von GVOs ist der Einsatz des Herbizids Glyphosat immens gestiegen. War 2004 im Bereich des klassischen Sojaanbaus die Rückstandsgrenze bei 0,2 mg, wurde ab der Zulassung von GVO-Soja der Grenzwert auf 10mg festgesetzt. Der Verbrauch an Agrargiften hat sich um 240% gesteigert. Die Produktionskosten sind durch diesen hohen Bedarf gestiegen, 60% der Produktionskosten sind durch den Chemieeinsatz bedingt. Brasilien ist der zweitgrößte Sojaproduzent der Erde mit 81 Mio. Tonnen pro Jahr. Bis 2024 ist eine Ausweitung des Anbaus auf 94 Mio.t geplant.

Allerdings ist Brasilien auch der größte Produzent von GT-freiem Soja, heuer wurden ca. 16 Mio. Tonnen davon erzeugt. Eine gt-freie Produktion ist allerdings nur dort möglich, wo es noch klassisches Saatgut gibt. Damit leitete Prof.Andrioli zum zweiten Schwerpunkt seines Vortrags über, der Agrarökologie, die Lehr-Schwerpunkt an seiner Universität ist. Eine große Spezialisierung in der Lehre führt zu einem großen Verlust an Wissen, eine geringere Spezialisierung lässt Platz für das Erkennen von Zusammenhängen. Ziel ist, dass die Wissenschaft allgemein verständlich wird und damit Wissen von Landwirt zu Landwirt weitergegeben werden kann. Traditionelles Wissen über Fruchtfolgen und Freßfeinde wird so ein Teil der Wissenschaft und beteiligt damit aktiv die Kleinbauern. Es war Ziel der brasilianischen Regierung, die Universität für die Menschen vor Ort zu öffnen. Während an den üblichen Universitäten die meisten Studienplätze durch zahlende Studenten besetzt sind, sollten hier die Kinder der Bauern der Umgebung studieren. Dazu gibt es auch einen Campus für die indigene Bevölkerung. Die Forschungspolitik wird selbst bestimmt, Schwerpunkte sind Lehrerbildung, Gesundheit, Agrarökologie. Die Professoren werden vom Staat bezahlt, Drittmittel sind nicht üblich. Damit ist die Forschung unabhängig, kann sich auf relevante Bereiche ausrichten und die Lebensbedingungen vor Ort verbessern. Allein für die Umsetzung des staatlichen Programms "Null Hunger" werden 200.000 Wissenschaftler, meist Ärzte, benötigt. Die Kinder der Bauern vor Ort sollen für das Studium befähigt werden. So wird die Infrastruktur auf dem Land verbessert und die Menschen finden Einkommensmöglichkeiten. Der Landwirt wird zum Forscher und Wissenschaftler für den Bereich Landwirtschaft und die Region.

Prof. Andrioli fasst zusammen, dass die Gentechnik ihre Versprechungen nicht eingelöst hat:

-          Die Produktionskosten wurden nicht gesenkt,

-          es gibt keine höheren Erträge,

-          der Einsatz von Pestiziden wurde nicht verringert,

-          es gibt nicht weniger Hunger im Land.

-          Die GT-Theorie stimmt nicht mit der Praxis überein.

Nur die Praxis bringt Wissen für eine zukunftsfähige, ökologische Landwirtschaft.

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